NASA-Sonde Psyche: "Einzigartige Gelegenheit auf Kern eines Planeten zu blicken"

Psyche ist einer von ganz wenigen Asteroiden, die vor allem aus Metall bestehen. Das macht ihn besonders interessant und nun soll eine Sonde ihn besuchen.

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Raumsonde über Metallasteroiden

Künstlerische Darstellung von Psyche und Psyche

(Bild: Maxar/ASU/Peter Rubin)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Peter Michael Schneider
Inhaltsverzeichnis

Kommende Woche Donnerstag will die NASA mit Psyche die erste Sonde starten, die einen Asteroiden aus Metall besuchen soll. Wenn dabei alles klappt, soll die Asteroidensonde sechs Jahre unterwegs sein und 3,6 Milliarden Kilometer zurücklegen, um den ungewöhnlichen Himmelskörper im Asteroidenhauptgürtel zwischen Mars und Jupiter zu erreichen. Warum der ganz besonders spannend ist und was sich die Verantwortlichen von der Mission erwarten, erklärt deren Chefwissenschaftlerin Lindy Elkins-Tanton im Interview mit heise online:

Was hat es mit der Psyche-Mission auf sich?

Psyche ist der Name der Mission und gleichzeitig ihr Ziel, ein Asteroid im Hauptasteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Warum dieser Asteroid? Er unterscheidet sich – wahrscheinlich – von fast allen anderen Asteroiden dadurch, dass zumindest ein Teil seiner Oberfläche und ein Großteil seines Inneren aus Metall bestehen. Es wird daher das allererste Mal sein, dass wir eine Metallwelt besuchen, oder wenigstens eine mit einer Oberfläche aus Metall.

Lindy Elkins-Tanton

(Bild: Abigail Weibel/Arizona State University)

Von den etwa eineinhalb Millionen Asteroiden im Asteroidengürtel, kennen wir nur etwa neun, von denen wir glauben, dass sie größtenteils aus Metall bestehen. Und Psyche ist der größte davon. Wir denken, dass ihr Metallkern Teil eines sehr frühen Planeten war. Also ein Planetesimal, das nicht in einen Gesteinsplaneten eingegliedert wurde, sondern quasi im Asteroidengürtel strandete. Wenn wir mit dieser Idee Recht haben, ist dies die eine einzigartige Gelegenheit, um in den Kern eines Planeten zu blicken. An den Kern der Erde oder anderer Planeten gelangen wir ja nicht ran. Deshalb ist die Mission so spannend.

Der Gürtel ist mehr als 300 Millionen Kilometer weit weg. Gibt es keine Metall-Asteroiden, die leichter zu erreichen sind?

Nein, nicht viel. Aber Psyche ist bei weitem der größte. Das hört sich vielleicht komisch an, aber Psyche hat die Form einer Ofenkartoffel. Sie ist nicht wirklich rund. Doch damit ähnelt sie immer noch mehr einer Kugel als die anderen, viel kleineren und manchmal noch seltsamer geformten Planeten-Fragmenten. Daher hoffen wir, bei Psyche mehr von der ursprünglichen Struktur eines solchen frühen Planeten zu sehen.

Warum wissen wir bisher nicht mehr über Psyche?

Der Knackpunkt ist, dass noch nie eine Sonde an Psyche vorbeigeflogen ist, uns fehlen Nahaufnahmen. Selbst in Hubble-Bildern ist sie nur vier Pixel groß. Wir wissen also nicht, wie der Asteroid aussieht. In gewisser Weise ist das sowohl frustrierend als auch aufregend.

Immerhin verfügen wir über eine ganze Reihe von Daten, die wir mit weltraum- und bodengestützten Instrumenten gewonnen haben. Dazu gehören Informationen zur Dichte sowie Messungen im Radar-, Infrarot- und sichtbaren Bereich. Allerdings sind die Daten nicht immer stimmig.

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Zudem haben wir Informationen über seine thermische Trägheit [ein Maß, wie schnell Psyche seine Temperatur ändern kann, Anmerkung der Redaktion]. Alles deutet auf einen erheblichen Metallanteil hin, zumindest auf der Oberfläche. Aber das ist wirklich alles, was wir derzeit mit einiger Sicherheit sagen können.

Was ich grundsätzlich gerne sage und auch jetzt hier bemerke: Wahrscheinlich wird sich alles, was ich Ihnen jetzt sage, als falsch erweisen, wenn wir erst mal da sind. Der Weltraum überrascht uns immer wieder. Die Natur übertrifft unsere besten Versuche an Vorstellungskraft und Kreativität hinsichtlich dessen, was die Dinge sein könnten. Für mich ist es daher so reizvoll, genau dahin zu gehen, worüber wir lange nachgedacht und Hypothesen aufgestellt haben. Und sobald wir ankommen, ist es ganz anders.

Könnte nicht auch das neue James-Webb-Weltraumteleskop Psyche anschauen?

Tatsächlich wurde Psyche für den ersten Beobachtungszyklus des James Webb ausgewählt. Im März hat sich das Teleskop Psyche mit seinem Infrarotspektrometer angeschaut, allerdings nicht mit dem bildgebenden Instrument. Damit wollen wir versuchen, mehr über die Zusammensetzung der Oberfläche zu erfahren. Insbesondere hat das JWST nach Orten gesucht, an denen sich möglicherweise wasserhaltige Mineralien oder Spuren von Wasser befinden, die uns etwas über spätere Einschläge auf der Oberfläche verraten könnten, und vielleicht auch etwas über das Primärmaterial des Asteroiden. Es handelt sich also um sehr vorläufige Daten. Das Team analysiert derzeit noch, es liegen keine Ergebnisse vor.

Es gibt zwei entgegengesetzte Modelle, wie Psyche entstanden ist: Als Resultat einer Kollision oder einer einfachen Zusammenballung. Werden Sie sicher herausfinden, welches das Richtige ist?

Wir haben Matrizen erstellt, mit allen möglichen Modellen, wie sich Psyche gebildet haben könnte. Wir haben nicht nur zwei Szenarien, sondern eher zehn. Die Frage geht aber noch weiter. Seit nun seit 12 Jahren überlegen wir uns, wie wir eine Mission gestalten, um eine wissenschaftliche Hypothese an einem unbekannten Himmelskörper zu testen? Wie stellen wir sicher, dass unsere Messungen zwischen allen möglichen Szenarien unterscheiden können? Ich kann heute sicherlich nicht eindeutig sagen, dass wir das schaffen. Außerdem ist es möglich, dass Psyche uns über das hinaus überrascht, was wir uns derzeit als plausible Formationsszenarien vorstellen. Immerhin werden wir dann unsere bisherigen Modelle streichen können und uns mit neuen Optionen beschäftigen.

Welches Entstehungsmodell wird Ihrer Meinung nach herauskommen?

Es gibt ja die Regel nach "Ockhams Rasiermesser". Dieses Ökonomieprinzip sagt, dass es am erfolgversprechendsten ist, unter mehreren die einfachste Hypothese auszuwählen, um eine Beobachtung zu erklären. Aber nicht, weil sie am wahrscheinlichsten richtig ist, sondern weil sie am besten überprüfbar ist. Das ist aber eine knifflige Regel für ein Objekt, zu dem es nur wenige Daten gibt.

Psyche ist ein einzigartiges Objekt und wir können annehmen, dass es unter ungewöhnlichen Umständen entstanden ist, als sich das Sonnensystem bildete. Daher halten wir es für wahrscheinlich, dass Psyche Teil eines Kerns eines kleinen Planetesimals ist. Sie wurde also in einem sehr frühen Planetenstadium zerbrochen, bevor sie sich mit einem anderen, größeren Planeten verbinden konnte.

Eine andere Möglichkeit ist, dass das Metall und Gestein auf Psyche im Millimeter- oder Zentimeterbereich vermischt vorliegt. In diesem Fall wäre Psyche nie geschmolzen. Stattdessen waren die Bedingungen so, dass das Eisen zu reinem Metall reduziert wurde. Wobei es bei dieser Entstehungsgeschichte wiederum Mischformen geben könnte.

Was ist Ihrer Meinung nach das interessantere Ergebnis?

Ich persönlich fände es am spannendsten, wenn Psyche aus einem stark reduziertes Material bestände, das nie aufschmolz. Das würde eine der Hypothesen bestätigen, allerdings ist so etwas bisher noch nicht beobachtet worden. Es wäre sozusagen ein neues Material in der Geschichte des Sonnensystems.

Es gibt also bisher kein vergleichbares Objekt, dessen Geschichte bekannt ist.

Richtig. Der nächstgrößere, mutmaßliche Metall-Asteroid ist Kleopatra. Er hat nur ein Viertel von Psyches Durchmessers, ist also deutlich kleiner. Aber Kleopatra hat die Form eines länglichen Hundeknochens. Die Vermutung ist, dass der Asteroid während der Rotation geschmolzen ist, denn das ist eine typische Form für rotierende Flüssigkeiten, die gefrieren. Wir wissen es zwar nicht sicher, haben aber zumindest Bilder von Kleopatra. Für Psyche nicht und dabei ist es noch mal ein ganz anderes Objekt.